Dienstag, 11. November 2008

England-[Schottland] und zurück

Heute Abend wiedermal Theater. Die 39 Stufen (nach Hitchcock) am KuDamm.

Ich bin entzückt. Rasant. Witzig. Schwarzer Humor. Vier Darsteller, die unzählige Rollen spielen und dabei in einer Form die Kostüme wechseln (
zum Teil vor den Augen der Zuschauer und manchmal bekommt man den Moment nicht einmal mit), dass man glaubt, sie sind im Hauptberuf Artisten. Nicht nur die Kostüme wechseln in einem Mördertempo, auch die Kulisse erfindet sich mit jedem Atemzug neu. Und zwar mit den einfachsten Mitteln. Doch so effektiv und verblüffend, dass allein dies schon das Anschauen wert ist! Nie hätte ich geglaubt, dass man im Theater derart rasante spannende und gespenstische Fluchtszenen hinbekommt, die einen atemlos machen. Es wurden Stuntszenen auf und aus fahrenden Zügen gezeigt. Es gab eine Verfolgungsjagd über die Towerbridge mit Absturz/Sprung in die Themse. Natürlich weder Züge noch Brücken real vorhanden. Wahnsinn, was tolle Ideen und deren intelligente Umsetzung mit der eigenen Phantasie machen können. Ein Hitchcock-Film wäre nicht spannender. Für mich das Highlight: (abgesehen von der kleinen süßen Spielzeug-Lokomotive, die irgendwann durch's den Bühnennebel dampfte) Der unverzichtbare Cameo-Auftritt von Alfred Hitchcock!!!! Als Scherenschnittfigur auf einem schottischen Berghang in den Highlands stehend, während - ausnahmsweise hier ebenfalls per Schattenspiel - wilde Verfolgungsjagden über die Berge bis hin zu der berühmten Flugzeugjagd (jeder wird hier Cary Grant in "Der unsichtbare Dritte" vor Augen haben) auf den Hauptdarsteller. Herrlich die kurzen Anspielungen auf "Psycho", "Der Mann, der zuviel wußte" etc. Witzig auch der schottische Farmer, der Bayrisch spricht. Jemand, der vorher noch nie einen Schotten reden gehört hatte, wird verstanden haben, wo hier sprachlich das "Problem" liegt! ;-)
Sogar "Miss Sophie's" non-Hitchcock-Silvester-nächtlichem Wunsch wird Rechnung getragen: Ein süffisantes "I'll do my best", als sich der schottische Concierge mit seiner fordernden Angetrauen zur Nachtruhe begibt. Mit einem Augenzwinkern des Darstellers in Richtung Publikum (fehlte nur: "as every year").

Das kurze Glöckchenklingeln am Weihnachtsbaum im Schlußbild werden eventuell nur wenige verstanden haben. Dies war einem von Hitchcocks-Lieblingsdarstellern gewidmet. James Stewart. In dem unvermeidbaren (aber wunderschönen!!!) Weihnachtsfilm "Ist das Leben nicht schön?" (orig. "It's a wonderful life") schellt im Schlußbild ein Glöckchen und Jimmies Filmtöchterchen sagt "Daddy, immer wenn ein Glöckchen klingelt, bekommt ein Engel seine Flügel". Und Stewart lächelt gen Himmel, zwinkert und sagt "Du hast sie Dir verdient". (Adressiert an den tolpatischen Engel Clarence, der ihn in der Weihnachtsnacht vor dem Freitod bewahrte).

Ach, es gäbe noch so viel dazu zu sagen. Fotos habe ich gemacht. Wollte aber meine Mitzuschauer nicht allzusehr durch Aufleuchten des Displays stören. Und an den entscheidenden Stellen war ich viel zu verblüfft, überrascht, erfreut, überwältigt, um zu fotografieren. Und wollte auch eher geniessen. Darum hier also nur ein paar nicht wirklich aussagekräftige Impressionen.
(Und passend zum Thema ein Lesetipp. Eins meiner Lieblingsbücher: "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?" Francois Truffot)


2 comments:

r|ob hat gesagt…

Das Buch ist wirklich klasse...

V[ee] hat gesagt…

Ha! :-)
Ein Kenner.

(hab' übrigens noch einen Nachsatz zum Schlußbild hinzugefügt. Das Glöckchenklingeln..... Jimmy Stewart...)